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„In der Badewanne war es herrlich. Warmes Wasser, Duftlampe mit Entspannungsöl. Es war ganz ruhig, die Atmosphäre rund und rosa gedämpft. Das Beatmen der Wehen hat gut geklappt. In der Schwerelosigkeit des Wassers konnte ich die Beine ausstrecken und das Becken auf und ab bewegen. „Können Sie sich vorstellen, Ihr Kind in der Badewanne zu bekommen?“ „Aber ja, warum nicht?“… Die Hebamme beobachtete mich: „Hängen Sie sich doch mal bei der nächsten Wehe an das Tuch über der Wanne“. Und plopp – war die Fruchtblase geplatzt. Schön. Wehen, Atmen. Stöhnen. Pause. Während der Wassergeburt habe ich nicht an Schmerzmittel gedacht.. Wichtig war nur die Konzentration, der tranceartige Zustand. Der Muttermund war jetzt ganz offen, und es begann eine andere Art Schmerz, von dem ich dachte, er bringt mich um, wenn ich ihn nicht laut herausbrülle.“
Schon immer haben Frauen ihre Kinder im Wasser geboren, und bei vielen Naturvölkern ist dies heute noch gang und gäbe.
Schwangere vieler Urwaldvölker am Amazonas klammern sich zum Beispiel an Mangroven, während sie im Fluss ihre Babys zur Welt bringen. In Deutschland wurde das erste Wasserbaby 1982 im Vinzenz-Pallotti-Hospital in Bensberg bei Köln geboren – die werdende Mutter fühlte sich in der warmen Badewanne so wohl, dass sie diese zur Geburt partout nicht verlassen wollte. Das Experiment ging trotz Skepsis der Geburtshelfer glatt, und inzwischen gehören Wassergeburten in vielen Kliniken zur Routine. Das warme Wasser entspannt, lindert den Wehenschmerz und mildert die Angst vor der Geburt. Knapp 80 Prozent der Frauen, die im Wasser geboren haben, möchten auch die nächste Geburt so erleben. Eine Bettgeburt würden dagegen nur 40 Prozent der Frauen wiederholen. Heute weiß man außerdem, dass Wassergeburten genauso sicher sind wie Landgeburten – vorausgesetzt, sie werden geburtsmedizinisch korrekt überwacht. Auch Infektionen braucht man nicht zu fürchten: Im Vergleich zu Hocker- und Bettgeburten hatten Wasserbabys am seltensten Infektionen.
Halt die Luft an, Baby: der Atemschutzreflex
Im Wasser ist ein Neugeborenes ganz in seinem Element. Schließlich hat es neun Monate im Fruchtwasser verbracht. Damit dies nicht in die Lungen gelangt, haben bereits Ungeborene einen genialen Reflex, den Diving- oder Atemschutzreflex: Feine Rezeptoren in der Haut und im Nasen-Rachen-Raum registrieren genau, wenn das Gesicht des Babys untertaucht. Sie schicken dann umgehend ein Signal an den Kehlkopf, die Luftröhre zu schließen. Bei einer Wassergeburt werden die Kinder etwa nach 15 Sekunden aus dem Wasser geholt. Weht dem Babygesicht Luft um die Nase, geben die Hautrezeptoren das Signal zum Atmen und das Neugeborene macht seinen ersten Atemzug.
Vier Fragen über die Wassergeburt
Im Vergleich zu Landgeburten gehen Wassergeburten schneller, erfordern nur die Hälfte an Dammschnitten, der Blutverlust und Schmerzmittelverbrauch sind deutlich geringer und die Frauen gehen schneller nach Hause. Auch der Anteil an ambulanten Geburten ist höher als bei Frauen, die nicht im Wasser entbinden.
Warum entbinden bei so vielen Vorteilen nicht alle Frauen im Wasser?
Man darf nicht meinen, dass eine Wassergeburt für jede Frau geeignet ist. Wenn es einer Frau in der Badewanne gut geht und sie sich wohl fühlt, kann sie dort bleiben. Will eine Frau aber eigentlich heraus und bleibt nur im Wasser, weil sie die Vorteile der Wassergeburt nutzen will, funktioniert das nicht, weil es mehr eine Kopf- als eine Wassergeburt ist. Die Wassergeburt ist nicht der letzte Schrei der Geburtshilfe. Sie ist nur eine von vielen Möglichkeiten, ein Kind zu bekommen.
Für wen eignet sich eine Wassergeburt?
Wassergeburten darf man nicht bei problematischen Geburten durchführen. Wenn es der Mutter und dem Kind gut geht und eine Spontangeburt zu erwarten ist, kann man eine Wassergeburt begleiten.
Wie wird die Schwangere im Wasser medizinisch betreut?
Genau wie bei einer Landgeburt. Wir haben zusammen mit der Industrie ein CTG (Cardiotokogramm) entwickelt, mit dem die kindlichen Herztöne im Wasser kabellos kontrolliert werden können.
Wie steht es mit den Risiken für das Kind?
Eine Wassergeburt ist sicher nicht gefährlich – vorausgesetzt, dem Kind geht es gut. Ich überblicke im deutschsprachigen Raum etwa 15000 Wassergeburten: Es ist bis heute noch kein Kind durch eine Wassergeburt zu Schaden gekommen.